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Träume-Berufsbilder und Lernwege



Es lohnt sich, beim Traumberuf konkret hinter die Kulissen zu schauen und in Erfahrung zu bringen, auf welchen Wegen er zu erreichen wäre.

von Marcus Knill

Berufsbilder und Erwartungen

In den Köpfen unserer Kinder schlumern Berufsbilder.
Heranwachsende Kinder haben einst eine Vision und träumen schon recht früh von der eigenen Zukunft.
Auch die Eltern träumen vom idealen Beruf der eigenen Tochter oder des eigenen Sohnes. Es geht dabei vielfach nicht um den Berufstraum des Kindes, sondern die Eltern träumen vielmehr für ihr Kind. Es ist der Traum des Vaters oder der Mutter. Nicht nur die eigenen, unerfüllten Berufswünsche kommen zum Tragen. Auch die eigene Erwartungshaltung steuert den allfällig gut gemeinten Ratschlag bei der Wahl des Lges. Zu den Ratschlägen gesellen sich noch die eigenen Vorschläge. Immer geht es gleichsam um "Schläge" on oben nach unten.
Die Eltern sehen in der Tochter eine Managerin oder erhoffen sich, dass der Sohn das eigene Geschäft übernimmt.
Sind es dabei nicht vielfach die eigenen Träume, welche das Kind verwirklichen soll? Bekanntlich macht die Liebe blind.
Träume tun dies auch, d.h. die Wünche des Kindes, die tatsächlichen Fähigkeiten, Neigungen und Begabungen werden bei den Elternträumen gleichsam ausgeblendet. Schlimm wird es, wenn die Blindheit zusätzlich noch zum Drängen oder sogar zum Nötigen führt (beides gehört auch zum "Schlagen"): "Du musst in die Kantonsschule, sonst ... " Mitunter üben dabei Liebesentzug, nonverbale Signale der Enttäuschung und Belohnungsanreize deutlich Steuerfunktionen aus.


Ein deutscher Erwachsenenbildner, der musikalisch sehr begabt ist und gerne Musiker geworden wäre, erzählte mir jüngst, sein Vater hätte ihm gesagt: "Ich finanziere nicht das Studium für eine arme Kirchenmaus." Der heutige Direktor einer Ausbildungsinstitution durfte nicht das werden, was er so gerne geworden wäre. Nun zeigte sich ausgerechnet bei seiner Tochter - sie ist ebenfalls musikalisch hoch begabt - genau die umgekehrte Situation: Sie hätte den Beruf als Musikerin problemlos erlernen können, aber jetzt wollte plötzlich die Tochter nicht. Glücklicherweise akzeptierte der Vater diesen Entscheid, obwohl er recht schmerzhaft war.




Neigungen erkennen

Woran erkennen Eltern und Lehrkräfte die tatsächlichen Neigungen eines Menschen?
Auch Kinder senden laufend Signale aus. Oft sind es kleine hilfreiche Hinweise, die beachtenswert sein können für den Berufsfindungsprozess.
Jede Bezugsperson kann vorhandene Fähigkeiten sehen, spüren und erleben. Voraussetzung ist dabei immer eine gute Wahrnehmungsfähigkeit.
Professionelle Berufsberater gehen nie von einem fixierten Berufsbild aus. Sie registrieren oder lassen zuerst die unterschiedlichen Beobachtungen aller Bezugspersonen sammeln (dazu gehört auch die Selbstbeobachtung des Kindes), und zwar ohne jegliche Interpretationen.
So kann es sein, dass Martin gerne zeichnet und beim Spiel und in der Freizeit fotografiert, aber auch gerne mit Kollegen zusammen diskutiert, das Schreiben jedoch verabscheut.
Diese Feststellungen können durchaus später bei der konkreten Berufsabklärung eine Rolle spielen. Doch vorerst bleibt das Registrieren aller Beobachtungen wichtig:
Was kann das Kind besonders gut? Was macht es gerne? Wo hat es Mühe? Oder: Was macht es gar nicht gerne? (Fähigkeiten, Neigungen, Begabungsfelder?)


Nichtlineare Berufsentwicklung

Es gibt heute verschiedene Berufswege und "Berufsleben".
Früher wurde jemand Schreiner und blieb hernach lebenslang im erlernten Beruf. Vielleicht kletterte die Berufsperson linear im Betrieb die Erfolgsleiter hoch: zum Vorarbeiter, dann zum Werkstattchef, und übernahm sogar später noch einen Betrieb.
Heute gehört die lineare Entwicklung nicht mehr zur Norm. Dank dem zirkulären, spiralartigen Weiterentwickeln ist es denkbar, dass eine Lehrerin in den PR-Bereich umsteigt und längere Zeit Personalchefin ist, bevor sie ein Beratungsbüro eröffnet.
Im Laufe des Lebens werden immer mehr verschiedene "Berufsleben" gelebt. Der viel zitierte Spruch vom "lebenslangen Lernen" ist allmählich zum Muss geworden. Früher hiess es: "Überlege gut, was du lernst. Nachher bleibst du lebenslänglich in diesem Beruf!"
Heute verändern die Menschen laufend ihre Berufskarniere, und das Berufsbild wird ständig neu'gezeichriet, zum Teil auch unfreiwillig. Wer glaubt, die Grundausbildung genüge immer noch, um bis zur Pensionierung nichts mehr in die Weiterbildung zu investieren, der hat wahrlich nicht begriffen, um was es geht. Früher oder später ist er "weg vom Fenster". Der provokative Ausspruch, eine Lehrerin, die glaube, nach dern Seminar könne sie bis zur Pensionierung den Beruf ohne zusätzliche Weiterbildung ausüben, müsste jedes Jahr eine Lohnkürzung von 10 Prozent bedeuten. Diese harte Aussage macht jedoch den Kern des Gedankens bewusst: Die permanente Weiterbildung ist zum Muss geworden.
Nebst dem Fachwissen, das laufend aufzufrischen ist, verlangt jeder Beruf die konstante Optimierung von Kernkompetenzen. Dazu gehören:
  • die Förderung der sozialen Kompetenz
  • der kommunikativen Kompetenz
  • der emotionalen Kompetenz und
  • der Konfliktfähigkeit
  • der Umgang mit Stress.


Weiterbildung

Fortschrittliche Betriebe und Institutionen haben längst erkannt, dass es sich kein Mitarbeiter mehr leisten kann, auf den Lorbeeren auszuruhen (Und zwar auf jeder Hierarchiestufe!) Alle Institutionen der Erwachsenenbildung - und dazu gehört auch die Volkshochschule - möchten in diesen Bereichen mithelfen, den Bedürfnissen gerecht zu werden.
Gefragt sind derzeit adressatengerechte, praxisorientierte Weiterbildungsbausteine für verschiedenste Ansprüche. Auf die Kriterien, die bei fachgerechter Bildung zählen, gehen wir in diesem Beitrag nicht ein. Bereiche, die beispielsweise beim KommunikationsCoaching beachtet werden müssen, wären im Artikel über Kampfrhetorik nachlesbar.


Berufsbilder, Bildung, Ausbildung haben etwas mit Bildern zu tun.

Zurück zur Berufsvision unserer Kinder. jedes Kind - auch die Eltern - muss sich ein konkretes Bild ausmalen können von der tatsächlichen Berufssituation im Alltag.
Ein Mädchen, das beispielsweise Tierpflegerin werden will, wird nach einem Einblick in die Klinik bald ein anderes Berufsild erhalten, wenn es erlebt, wie Tiere eingeschläfert werden müssen, oder wenn es auch die unangenehmen Arbeiten sieht. Wer keine Chance bekommt, den Traumberuf in einem Praktikum kennen zu lernen, der wird immer vom Gefühl verfolgt, er hätte etwas verpasst.
Deshalb lohnt es sich, beim eigenen Traumberuf möglichst konkret hinter die Kulissen zu schauen. Eine junge Frau, die nach einer kaufmännischen Lehre vom Flight- Attendant-Beruf geträumt hatte und wahrscheinlich das ganze Leben geglaubt hätte, den falschen Beruf erlernt zu haben, wurde sich bei einer Reportage bewusst, dass sie beim Alltagsjob meist nur Kunden das Essen servieren muss und unter Umständen auch Erbrochenes aufzuputzen hat. Sie erlebte dank dem Blick hinter die Kulissen, dass die Vorstellung von den vielen netten Gesprächen mit Passagieren tatsächlich nur ein Traum (verbunden mit der hübschen Uniform) war. Das realistische Bild hat in diesem Fall dazu beigetragen, Traum und Wirklichkeit zu trennen. Vielleicht sollten wir alle, die einen so genannten Berufstraum haben, zuerst einmal ein Praktikum in diesem Beruf absolvieren dürfen.
Menschen folgen dem Gefühl des Bildes. Deshalb gilt bei jeglicher Art von Bildung:

Wer bildet, muss nicht nur Vorbild sein. Er muss Bilder vermitteln können, die keine Traumbilder sind.






Dieser Beitrag ist in "Ausbildung", Beilage Schaffhauser Nachrichten vom Freitag dem 29. September 2000 erschienen.

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