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E in prächtiger erster Maimorgen
war über dem Kohlfirst
aufgestiegen. Aus der Dämmerung
heraus erklangen die
Lieder der erwachenden Vögel.
Gähnend schaute Adelbert, ein strammer Jüngling,
im Nohl aus dem Fenster hinab
zum Rhein, wo sein
selbstgebauter, neuer Kahn am Ufer
zur Fahrt bereit lag.
'Gott sei mit mir!' sprach er vor sich hin, denn er hatte heute erstmals als 'Rheinfallschiffer' anzutreten. Melchior, der Page von Bertha auf Schloss Laufen, hatte ihm schon im Winter den Vertrag auf Pergament gebracht. Am andern Ufer hatte eben ein Fischreiher sein Frühstück aus dem Rhein geholt, als 'Benno', Adelberts treuer Begleiter, ein prächtiger schwarzer Neufundländer, laut bellend aus seinem Hundehaus sprang. Gewiss, er hatte seinen Grund: Den schmalen Haldenweg entlang kam ein Mädchen geschritten, ein Kopftuch umgebunden, da der Morgen kühl war.
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'Guten Morgen, Rosmarie!' rief
Adelbert seiner
Jugendgeliebten zu. 'Ich bin
gekommen, dir Glück zu
wünschen zu deiner Stelle, denn
dein Glück wird auch das
meine sein. Und wenn du dann
schön verdienen kannst,
werden wir bald heiraten können.'
Mit einem freudigen Sprung aus dem niederen Fenster stand Adelbert schon unterm blühenden Fliederbusch und umarmte Rosmarie. 'Nun werden wir uns nur noch morgens und abends sehen', sprach sie wehmütig zu Adelbert, der seine Hemdsärmel über seine starken Muskeln rollte. 'Aber öfters werde ich dich mit Benno' beim Schlösschen Wörth besuchen und zusehen, wie es dir geht und was du machst', ergänzte sie. 'Vor allen Dingen, bleib mir treu und lass dir nie den Kopf verdrehen, wenn du gewisse Frauen zum Schlossfräulein am Laufen führen musst. Du verstehst mich doch, wie ich das meine, Adelbert, es wird so ganz anders sein, wenn du nicht mehr die ganze Zeit bei mir bist.' Adelbert hatte Rosmaries Eltern stets geholfen, an der steilen Halde den Weinberg zu besorgen und auch beim Fischfang mitzuwirken. Im Dörfchen Nohl war noch alles still, und diese Stille wollte Adelbert benutzen, um vom Ufer abzustechen. Niemand ausser Rosmarie sollte ihn heute morgen sehen, denn der neue Beruf bedeutete für ihn eine Wendung im Leben, und fast reute es ihn, die Stelle angetreten zu haben. Eine Unruhe stieg in ihm auf, als würde ihn die Zukunft einst erwürgen. Rosmarie nahm tränenden Auges Adelbert am Arm und trug ihm sein Säckchen mit Brot und geräuchertem Speck und Fisch zum Kahn. Im Kirchlein zu Laufen läutete eben die Morgenglocke Betzeit, als Adelbert den Stachel zur Abfahrt rheinaufwärts erfasste. 'Bind mir das Rheinfallschiff selbst los, Rosmarie, auf dass es nie versinken werde, und reich mir die Hand! Auf Wiedersehen, mein Kind!' So sprach Adelbert und fuhr los. 'Benno', der Schritt für Schritt den beiden folgte, begann zu heulen und eilte am Ufer hin und her; doch Rosmarie rief ihn zurück. Adelbert schob mit starken Armen den Kahn aufwärts. Stets winkten beide mit den Taschentüchern einander zu, bis eine Nebelbank den Liebsten verschlang und nur noch die Wellen in ewig gleichem Spiel ans Ufer schlugen. |
U nd so geschah es, dass Rosmarie
jeden Morgen am Ufer des
Rheins von Adelbert Abschied
nahm und am Abend seine
Rückkehr erwartete. Zwei Monde
gingen so dahin, und beim
dritten war Rosmarie dabei, als
Adelbert seinen Lohn zu
Hause in baren Gulden auf den
Tisch zählte.
'Bisher bin ich zufrieden,
Adelbert', sagte heute Bertha von
Laufen, als sie ihm den Lohn
gab. 'Meine Gäste lobten Eure
Kunst als Rheinfallschiffer,
Mönche, Ritter, Grafen und
selbst Fürsten und Herzöge. Doch
nächstens werdet Ihr meine
beste Freundin zu mir führen, es
ist Adelheid von Stockar zu
Schaffhausen, des Ratsherrn
Tochter. Bisweilen kam sie
hoch zu Pferd über die Brücke
bei Feuerthalen
mit ihrem
Diener. Doch seltsame Reiter
kreuzten letzthin ihren Weg im
Walde am Kohlfirst .
Nun hat sie
sich entschlossen, sich von
Euch über die Wellen führen zu
lassen. Wohl fürchtet sie sich
sehr, und nur durch mein Zureden
will sie sich Euch
anvertrauen.
Macht dann eurem Ruf als Rheinfallschiffer
Ehre, Adelbert!'
schloss Bertha von Laufen. Doch
Rosmarie runzelte
kummervoll die Stirne.
Unter der Türe des Hauses
ergriff sie plötzlich Adelberts
Hände, sah ihm tief in die Augen
und sprach:
'Mein Liebster, mir wird bang,
wenn ich daran denke, dass du
ein so hohes Fräulein aus einer
Patrizier-Familie
in dein Schiff nehmen musst. Wie
leicht könntest du mich da
vergessen, ich bin ja nur die
Tochter eines Fischers.
Und dann gefällt mir der Name
Adelheid schon gar nicht. Ist
das ein Zufall oder ein
verborgenes Schicksal, dass bei
dir und
diesem Fräulein ein Adel' im
Namen vorkommt?'
'Ach was, mein liebes Kind',
warf Adelbert ein, 'so mach
dir doch keine kummervollen
Gedanken. Das Weibsbild führ
ich wohl hinüber wie die Ware,
die ich so oft ab Schaff
hausen zur Versorgung übersetze,
du wirst wohl niemals
glauben, dass so ein Fräulein von
Stockar sich nur nach mir
umdrehen würde, nach so einem
armen Rheinfallschiffer und
Fischer. '
Rosmarie beruhigte sich und gab
Adelbert den Gutnachtkuss.
Aber sie schlief lange nicht
ein. Der Mond leuchtete durchs
Fenster auf die Leinenkissen,
auch bei Adelbert.
Am Morgen schien ein heisser Tag
zu erwachen, als Adelbert
vom Ufer stiess. Diesmal war
Rosmarie nicht da. Nur
'Benno' war dem Meister zum
Rheinufer gefolgt.
Adelbert setzte sich in die
Hütte und knüpfte Fischnetze. Ab
und zu glitt sein Blick hinüber
zum Schloss. Da plötzlich
hörte er das Getrabe von Pferden
näherkommen. 'Kommt es
schon, das Fräulein von Stockar,
die Adelheid?', dachte er
und sprang hinaus.
Falsch geraten! Wer kam da
hinter den Bäumen hervor? Ein
geharnischter Ritter mit zwei
Reitknechten. Sie sprangen
von den Pferden, banden sie an
und traten auf Adelbert zu. In
forschem Tone redete der Ritter
Adelbert an: 'Ihr seid der
Rheinfallschiffer? ' 'Ja! ' '
Und ich bin Edgar von
Hohenkrähen', herrschte jener
ihn an, 'und will zum
Schloss, Ihr führt mich hinüber.'
'Den Ausweis', verlangte Adelbert
in gleich forschem Tone.
'Wozu ein Ausweis, ich will zu
Bertha auf das Schloss Laufen.
Los, gelockter Jüngling, an die
Ruder. Ich habe keinen
Ausweis! '
Der Ritter schritt zum Kahne, der
schaukelnd unter der
sengenden Sonne auf den Wellen
tanzte.
'Haltet ein, Edgar von
Hohenkrähen, ich führe Euch nicht
hinüber', wehrte Adelbert ab.
'So ist es mir befohlen, wer
keinen Ausweis besitzt, wird
nicht befördert.'
'Ha, da will ich einmal sehen.
Kommt her, ihr Knechte,
zeigt dem Schiffer, wie man ihn
zwingt, zu fahren.'
Die beiden Knechte traten vor und
griffen nach ihren Schwertern.
'Zurück, schert euch zum Teufel,
das will ich euch zeigen!'
Adelbert sprang wütend in die
Hütte und holte den
Morgenstern.
Mit dieser Waffe trat er vor die
Knechte und schrie-. 'Los,
haut ab, sonst schlag ich euch
alle tot.'
Er erhob die Keule drohend zum
Schlage, die starken Muskeln
spielten an den Armen, und gleich
hatte er erreicht, was er
wollte.
Unflätige Racheschwüre
ausstossend, schwangen sich die drei
Reiter auf die Pferde und stoben
davon, gegen Norden, wo sie
hergekommen waren.
Adelbert verfolgte sie mit seinen
Adleraugen, bis er die
Gewissheit hatte, dass sie
verschwunden waren.
Dann ging er in die Hütte. 'Das
kann ja gemütlich werden',
dachte er, 'das muss ich meiner
Herrin melden'.
Er nahm den Krug und hob ihn an
den Mund zu einem
kühlen Trunke, denn er hatte
einen guten Tropfen Wein
mitgenommen.
Rasch setzte er über und begab
sich zum Schlosse. Atemlos
begehrte er Einlass. Ächzend fiel
das Falltor, und vom
Schlosshof her kam
Melchior geschritten.
'Was ist los, Adelbert, zu dieser
Stunde, du kommst allein?'
'Ja, melde mich bei Bertha,
meiner Gnädigsten, ich habe
eine wichtige Meldung zu
erstatten.'
Ohne weiter zu fragen, führte
Melchior den Schiffer zu der
Herrin. Von der Neugier
gestochen, horchte Melchior an der
Türe und hörte, was Adelbert
erzählte.
'Da haben wir die Bescherung',
sprach Bertha. 'Ich danke
Euch für Eure Tapferkeit. Nun
hört mich an, Adelbert. Ich
werde meine Leute wachsam halten.
Der Ritter wird sich
rächen, er will sich meine Hand
erzwingen, und es wird
weiteres geschehen. Ich weiss, ich
kann mich, auf Euch
verlassen.
Droht mir eine Gefahr, dann nur
von dieser Seite des
Eingangsturmes her. Sollte ich
von dort belagert werden,
dann bläst Melchior ins Horn zum
andern Ufer, dort wo Ihr
wacht. Dann, bitte, holt Hilfe
auf schnellstem Wege. Ich
denke an die braven Leute zu
Uhwiesen ,
Flurlingen und auch
Feuerthalen und Langwiesen , die
mir wohlgesinnt sind. Habt
ihr mich verstanden, Adelbert?' -
'jawohl, Gnädigste',
antwortete Adelbert. 'Dann noch
eins - ich werde es Euch
wohl belohnen.'
Diesmal reichte Bertha von Laufen
Adelbert die Hand und rief
Melchior herbei.
'Melchior', sprach sie, 'gebt
Adelbert zu essen und zu
trinken, er soll sich stärken
unter diesem Dache, bevor er
über die Wellen reitet.'
In der Hütte angelangt, straffte
Adelbert die Muskeln
seiner Arme wie zum Kampfe
rüstend. Aber nichts
geschah, und es wurde Abend.
Rosmarie wartete besorgt am Ufer,
wie immer, und dann
sah sie das ernste Antlitz ihres
Liebsten.
Oben in der Stube erzählte
Adelbert, was vorgefallen
war, und alle schauderten ob
seiner Rede.
'Habt keine Angst um mich',
tröstete er sie, 'ich werde
fertig mit solchem Ungeziefer wie
mit den Wellen des
tosenden Rheines. Gott hat mir
Kraft gegeben, um sie zu
brauchen, verlasst euch darauf und
habt gute Ruhe!'
Wie gewohnt begleitete Adelbert
seine Rosmarie ins
Nachbarhaus.
'Ist Adelheid noch nicht
gekommen?' fragte Rosmarie
und warf die blonden Zöpfe von
der Brust nach hinten.
'Ach nein, du armes Kind, das hab
ich schon vergessen.
Vielleicht kommt sie morgen.'
'Gute Nacht, Adelbert, Gott
schütze dich und mich. Ach,
wenn es nur bald Winter wäre und
du wieder daheim sein
könntest, ich habe Sehnsucht nach
dir und bin besorgt um
dein Leben.'
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Es ging den Hundstagen entgegen,
die Landschaft lag
tagsüber wie versunken in der
Hitze. Gerne hätte
Rosmarie Adelbert mit 'Benno'
einmal in seiner Hütte
besucht, doch es war zu gewagt,
allein dort hinzugehen,
zumal der Weg durch einen Wald,
das gefährliche
'Fischerhölzli', führte. Besuch
kam nur selten aufs Schloss.
Und so geschah es, dass, als
Adelbert zur Mittagszeit sich
aufs Ohr gelegt hatte, jemand an
die Tür klopfte. 'Hallo,
Rheinfallschiffer', rief eine
derbe Stimme.
'Schläfst du? Wach auf und komm
heraus.'
Erschreckt fuhr Adelbert auf und
rannte aus der Hütte.
Dort gewahrte er zu Pferd ein
vornehmes blondes
Fräulein mit ihrem Diener, der
vorhin geklopft hatte.
'Rheinfallschiffer, macht Euch
bereit, meine Herrin dort
hinüber zu Bertha von Laufen zu
führen ', Wies der
Fremde Adelbert an.
'Ihren Ausweis bitte', sagte
Adelbert.
'Ludwig Peyer von Schaffhausen,
Reitknecht beim
Ratsherrn von Stockar', lautete
die Antwort.
Ein Zucken ging über Adelberts
Lippen.
'Und darf ich gnädigst Ihren
Ausweis prüfen?'
Aus einer Ledertasche am Sattel
des Pferdes zog das junge
Fräulein den Ausweis heraus und
reichte ihn Adelbert:
'Adelheid von Stockar zu Schaffhausen,
Tochter des
Ratsherrn von Stockar.'
Verblüfft gab Adelbert den
Schein zurück, und mit einer
Verbeugung grüsste er die
Angekommenen.
Inzwischen stieg Adelheid vom
Pferd.
'Ich habe von Eurer Kunst
gehört, das Schloss auf dem
nächsten Wege zu erreichen, Euer
Kurs führt unterm Falle
durch, wo jeder Laut der Stimme
erstirbt ob dem Tosen, hat
man mir gesagt.
So führt mich hinüber und hinauf
zu Bertha von Laufen, doch
seid gewiss, ich fürchte mich,
ich fürchte mich sehr.
Mein Reitknecht Ludwig bleibt
bei den Pferden bis zu
meiner Rückkehr.'
'Nur keine Angst, Fräulein
Adelheid von Stockar, wenn
auch die Sonne brennt, der
Wasserdampf wird kühlen. Hier
ist der Nachen, der mir
gehorcht, so wie ich ihn führen
will. ' Adelbert war beim
Einsteigen behilflich, ergriff
die Hand, die zarter war als
jede Hand, die er schon gefühlt
hatte.
'Hier ist der Platz, und da sind
zwei Griffe, die wollen Sie
ergreifen. '
Die Ketten klirrten, die Arme
beugten sich, und dann stach
das Schiff in die Fluten.
Die Pferde stampften wegen dem
Ungeziefer, das Ludwig mit
grünen Zweigen abwehrte.
'Kommt gut hinüber und zurück',
rief er den beiden aus
Leibeskräften nach.
Adelbert besah sich seine Fracht
mit Sperberaugen und
sprach kein Wort, denn Adelheid
schien sich wirklich zu
fürchten und glaubte in dieser
Stunde, dass ihr Schicksal in
den Händen des kräftigen
Rheinfallschiffers liege.
Adelheid sah, wie der Schweiss ihm
über die Stirne rann. Dann
aber sah sie auch, wie sich seine
Gesichtszüge entspannten,
als das Ufer nahte.
'Da wären wir, war nicht so
schlimm, Fräulein von Stockar,
wenigstens für mich nicht',
lachte Adelbert und band den
Nachen fest.
'Der Aufstieg zum Schloss ist sehr
steil und steinig, und so
will Bertha von Laufen, dass ich
ihre Gäste führe. Gestatten
Sie, dass ich Ihnen deshalb die
Hand gebe.'
'Gewiss', sprach Adelheid und
blieb in einer Lichtung
stehen.
Von dort sah man in den grossen
Wasserfall hinein. Die
Sonne zeichnete darin einen
Regenbogen. überwältigend ist
der Anblick dieser wilden
Elemente. Ein schmaler Weg führte
durch den bewaldeten Hang hinauf
zum Schlosse. 'Ihr seid
gewiss schon oft bewundert worden,
Rheinfallschiffer, wenn
Ihr die hohen Besucher bis zum
Schlosse führtet? '
'Gewiss', antwortete Adelbert,
'aber das ist nun mein Beruf,
ich muss Geld verdienen, ein
Mädchen wartet
auf mich, die Rosmarie, wir
wollen bald heiraten'. 'Adi
so', sprach Adelheid, 'wo wohnt
sie denn?'
'In meinem kleinen Fischerdorf,
im Nohl , im
Nachbarhaus. Ihre wie meine
Eltern leben vom Fischfang
und vom kargen Boden.'
'Mein Vater', warf Adelheid ein,
'ist von adeligern
Geblüte, er ist Ratsherr in
Schaffhausen; aber wir haben
eines gemeinsam,
Rheinfallschiffer.'
'Sagen Sie mir nur Adelbert,
Fräulein von Stockar, wie
ich's gewohnt bin.'
'Das eben wollte ich gerade
sagen, wir haben eines
gemeinsam, das 'Adel'.
'Ach ja', gab Adelbert zurück,
'das stimmt, doch ist
mein Blut zu stürmisch, um
adelig zu sein, ich bin nicht
zu solchem Ruhm geboren.'
Nun war die Fallbrücke erreicht.
Der Wärter hatte die
beiden schon von weitern gesehen
und die Brücke
herabgelassen.
Sichtlich erfreut, begrüsste
Melchior die Ankommenden
und führte Adelheid von Stockar
zu Bertha von Laufen.
'Und Adelbert, Ihr sagt mir nun
künftig Fräulein
Adelheid', bat das Fräulein von
Stockar, 'es klingt
bescheidener'.
'Ich danke Ihnen', gab Adelbert
zurück.
'Ich komme bald zurück, ich muss
zu meinen Pferden,
mein Vater erwartet mich
frühzeitig.'
Melchior bot Adelbert einen
Platz unter den Linden und
wartete mit Speise und einem
Krüglein Wein auf.
'Das Edelfräulein hat es so
befohlen und bittet dich,
Adelheid von Stockar wieder gut
zurückzubringen.'
'Auf das kannst du dich
verlassen, mein lieber Melchior.
Sag, hast du nichts mehr gehört
vom Ritter vom Norden? Glaubst du, er werde
nochmals kommen, glaubst du mit
einem Tross?'
'Gewiss, das glaube ich,
Adelbert, und wünschte mir das
eine, dass du dann hier wärest zum
Schutze von Schloss und
Leben '
'Vielleicht kann ich dann helfen,
vielleicht?'
Adelbert bat nochmals um ein
Krüglein von dem feinen
Weine.
Für das Wohl Adelheids wurde bei
Bertha gesorgt.
Melchior glaubte, es würde über
eine geheimnisvolle Sache
bei der Herrin verhandelt.
Um die Ecke der Schlossmauer kamen
Bertha und Adelheid,
sich im Flüstertone unterhaltend.
Bertha begrüsste Adelbert
und bedankte sich für die gute
Führung ihrer Freundin.
'Und ich danke Ihnen für Speise
und Trank', entgegnete er,
'ich will mir alle Mühe geben,
die Rückkehr sicher zu
besorgen.'
Darauf nahm Adelheid Abschied und
schritt dem Abhang zu.
Jetzt fürchtete sie sich nicht
mehr. Und wiederum blieb sie in
der Waldlichtung stehen und
schaute auf den Strom hinaus.
'Ich sehe meine Pferde auf mich
warten, dort unter den
Bäumen bei der Hütte', rief sie
Adelbert zu, 'auch ich werde
bald heiraten müssen, so will es
mein Vater.' 'Ja, warum
müssen?', fragte Adelbert
verwundert. 'Ach, das ist so
Sitte im Hause von Stockar, dass
der Vater bestimmt, wen
die Tochter zu heiraten hat, um
nicht aus dem Adel zu fallen! '
'Ach so, und wer soll denn Ihr
Gatte werden, wenn ich
fragen darf?'
'Das soll Georg, der Ritter auf
Schloss Herblingen, sein,
mit ziemlich viel Gulden in den
Schränken. Doch was
nützt all das Geld und dieser
Adel, wenn mir diese Heirat
zuwider ist! Es soll Geheimnis
sein, Adelbert, was ich
Euch jetzt anvertraue. Ich weiss,
dass Ihr niemandem je
etwas erzählen werdet.'
'Niemals, Adelheid, das
verspreche ich Ihnen. Ich werde
Ihr Vertrauen niemals missbrauchen',
beteuerte der
Rheinfallschiffer. Indem sie so
sprachen, langten sie beim
Schiffe an. Mit kräftigen
Ruderschlägen ging alsdann die
Fahrt rasch hinüber. Ludwig hatte
sich in der Hütte
verpflegt und freute sich ob der
neuen Route, die sich nun
oftmals wiederholen sollte.
Darauf schwangen sich beide
in den Sattel und ritten davon.
'Gute Heimkehr!' rief Adelbert
den Davontrabenden zu
und 'Auf Wiedersehen' tönte es
zurück.
|
Am andern Tag sass Adelbert in
seiner Hütte am Tisch
und stützte seinen Kopf in beide
Hände. Es gab ihm zu
denken, dass Rosmarie am Abend
zuvor, als er den Besuch
von Adelheid von Stockar
eingehend erzählte, nach Hause
gelaufen war. Eine unbegründete
Eifersucht musste sie
ergriffen haben. Aber Adelberts
Eltern fanden nichts
Besonderes am Besuche des
Fräuleins von Stockar.
'Du wirst schon wissen, was du zu
tun hast, Adelbert',
sagte sein Vater. 'Zudem wird es
nicht vorkommen, dass
du dich in ein adeliges Fräulein
je verlieben könntest.
Dazu besteht keine Gefahr, da
Adelheid von Stockar nicht
dir zuliebe vom Rosse steigen
würde.'
Adelbert war froh, dass kein
Besuch kam. Er nahm die
Fischerrute und setzte sich ans
Ufer, da konnte er seinen
Gedanken freien Lauf lassen.
'Wie war das gestern?', sprach
er leise vor sich hin.
'Etwas haben wir gemeinsam,
Adel'. Ja, das stimmt und
eigentlich noch etwas, der
Gegensatz zwischen Stadt und
Land zog uns gleichsam an, selbst
über die hohe Stufe
des gesellschaftlichen
Unterschiedes hinweg. '
Adelheid lebte in engen
Stadtmauern, Adelbert in der
freien Natur, ungekünstelt, ohne
Etikette, mit edlem
Sinn und Liebe zur Natur und zu
den Tieren. Das musste
wohl Adelheid gefühlt haben, ihr
letzter Blick beim
Abschied schien dies zu
bekräftigen.
Unterdessen hatte ein prächtiger
Lachs angebissen, und
Adelbert wurde durch den Fang in
seinem Grübeln
gestört. Er ging zur Hütte und
warf ihn in den
Fischertrog. Ohne an Rosmarie zu
denken, nahm er die
Kielfeder und ein Blatt und
begann zu schreiben, wie von
unsichtbarer Hand geleitet:
'Jetzt ist mir wohl', sagte er sich. 'Kommt Adelheid, so kann ich ihr das Schriftstück geben. Ich bin gespannt auf ihr Erscheinen.' Nun glich der Tag wieder den andern Tagen des Jahres. 'Dich Rosmarie, dich werd ich nie verlassen, du weisst, dass ich dich liebe. Den Ritter Georg, werde ich nicht verdrängen.' |
Wieder vergingen die Tage.
Rosmarie hatte sich am
Abend schon entschuldigt.
'Weisst du, Adelbert, es hat
mich übernommen, als ich sah, dass
so ein adeliges
Fräulein deine Zuneigung zu
gewinnen suchte. Dein Vater
hat mir meine Sorge ausgeredet,
und ich will mich
fügen.' Damit war der 'Zwist'
beendet, doch eine Unruhe
blieb in Rosmaries Herzen zurück.
Adelbert sass wiederum in der
Hütte auf seinem berühmt
gewordenen Posten. 'Die Hitze
war unerträglich. Die '
Grillen zirpten. Die wenigen
Landleute in der Umgebung
waren nicht auf dem Felde. Es
war zu heiss. Am liebsten
wäre Adelbert zu Hause im kühlen
Baumgarten am Rhein im
Grase gelegen. 'Es wird doch
niemand heute nach dem
Schloss hinüber wollen?' dachte
er.
Plötzlich unterbrach aber
Pferdegetrappel seine Gedanken.
Er blickte schlaftrunken durch
das Fenster und sah zwei
Reiter kommen. 'Bei Gott, das
sind ja Adelheid und
Ludwig.' Er trat vor die Hütte
und begrüsste sie, sich tief
verneigend.
Bevor diesmal Rittmeister Ludwig
der Herrin Adelheid von
Stockar behilflich sein konnte,
war Adelbert beigesprungen
und hatte ihr das Pferd
abgenommen.
'Wie können Sie zu dieser Stunde
und bei dieser Hitze auf
Besuch kommen? Wollen Sie zu
Bertha von Laufen?' redete
Adelbert sie an.
'Gewiss', antwortete Adelheid und
sah dem Schiffer in die
Augen.
'Nicht ohne Grund, sonst wär' ich
heute nicht gekommen.
Den einen Grund werde ich Ihnen
gleich erzählen:
Mein Auserwählter, Ritter Georg
vom Schloss Herblingen,
war gestern in der Stadt und
berichtete meinem Vater, dass
Ritter Edgar von Hohenkrähen mit
seinen Knechten die
Gegend unsicher mache und
Schlimmes im Schilde führe.
Deshalb bin ich gekommen, um
Bertha beizustehen. Er hat
einst durch Kuriere um ihre Hand
geworben und ihr alles vom
Himmel herab versprochen, doch
schenkte ihm Bertha von
Laufen kein Gehör. Ich habe
Angst, mein Rheinfallschiffer,
und beeile mich, die
Schlossherrschaft zu warnen.'
Als Adelbert die Anrede 'mein
Rheinfallschiffer' hörte, griff
er in die Tasche, um sich zu
überzeugen, dass das Blatt für
Adelheid noch darin stecke.
'Gut, dann fahren wir hinüber.'
'Sei wachsam, Ludwig, und lass
dich nicht erwischen! ' bat
Adelheid ihren Begleiter und
setzte sich ohne Furcht in den
Nachen.
Dann sah sie, dass Adelbert ein
Pergament hervorzog und
es ihr mit den Worten übergab:
'Da habe ich ein
Schreiben für Sie.' Sie las es
und sprach kein Wort, doch
ihre Augen glänzten. Tief atmend
schaute sie zum nahen
Ufer. Zögernd reichte ihr
Adelbert die Hand. Er fragte
nichts, sie schwiegen. Da kam
die Lichtung mit dem
Blick zum Fall, zum Regenbogen
und zum anderen Ufer.
Wiederum stand Adelheid still
und atmete tief. Sie
schaute hinab, hinüber zum
Regenbogen, schaute hinauf
in der Bäume Kronen, wo eine
Amsel sang und
schweigsam wurde. Dies Schweigen
brachte das Herz
Adelberts fast zum Zerspringen.
Was hatte er getan, war er zu
weit gegangen?
Nein! Jetzt brach Adelheid die
Stille und sagte
betroffen..'Es eilt, mein
Rheinfallschiffer, mein
Adelbert, Ihr habt mich
getroffen, mitten ins Herz.'
Adelheidküsste das Schreiben und
verbarg es in der
Brusttasche. Dann fuhr sie
fort: 'Adelbert, so ist es, ich
liebe als Mensch, als Mensch
ohne Adelsblut. In Euern
Adern fliesst feineres Blut.
Bertha hat mir von Euch
erzählt, wie Ihr mutig, tapfer,
edel und gehorsam seid,
ohne Tadel. Das ist es, was ich
liebe. Ich erwähle Euch
zu meinem Freunde. Hier meine
Hand.'
Darauf traten sie aus der
Lichtung in den Wald.
'Hier soll ein Geheimnis ruhen
für immer. Fortan müsst
Ihr zu mir du sagen, und ich
nenne Euch Adelbert.'
Gerührt kniete Adelbert nieder,
als wollte er beten. Damit
entstand zwischen hoch und
niedrig eine Freundschaft.
Ich danke dir Adelheid', sagte
er, sich erhebend, 'ich
danke dir von ganzem Herzen.'
Darauf küssten sich die beiden
auf die Hände, und die
Lippen schwiegen.
Rasch ging es jetzt bergan im
Schatten der Bäume, bis
sie vor dem Tor standen, das
jetzt der wachsame Hüter
öff nete.
Es entging Adelbert nicht, dass im
Schloss eine Unruhe
herrschte.
Die Pferde stampften im Stall,
und die Knechte liefen
eifrig hin und her.
Wie gewohnt führte Melchior
Adelbert zu Speis und
Trank unter den Lindenbaum,
während Adelheid sich zu
Bertha begab.
'Heute lass ich mir die Speise
schmecken', sprach Adelbert,
'So ein Hammen lässt den Gaumen
jauchzen, und so ein
Wein singt in der Kehle. Ich habe
Hunger und Durst wie
noch nie in meinem Leben. '
Hinter den Schlossmauern erzählte
Adelheid Bertha von
dem, was sich vorbereitete und
Georg in der
Stockarburg erzählt hatte.
'Hab' mir gedacht, der Edgar
würde kommen. Wir sind
bereit. Die Tore werden doppelt
verriegelt, doch sind wir
auch auf Hilfe angewiesen, wenn
der Ritter uns belagern
sollte.'
'Und was macht der
Pheinfallschiffer?', wollte Bertha
wissen.
'Das ist ein feiner Mensch, ein
armer, und wenn man
einmal kann, muss man ihm helfen.
Ich will dir etwas
sagen, Bertha, heimlich liebe ich
ihn.'
Da unterbrach Bertha jäh das
Gespräch und rief: 'Was seh'
ich dort über
Feuerthalen am
Kohlfirst auf der Strasse?
Schau her, Adelheid, siehst du
die Staubwolke abwärts
sich bewegen? Das sind die Ritter
mit den Knechten, die
uns hier in Laufen überfallen
wollen!'
Bertha rannte in den Hof zu
Adelbert.
'Hört, Adelbert, hört,
Rheinfallschiffer, hört,
Melchior',
jammerte sie. 'Ritter kommen, um
Laufen mit Gewalt
zu erstürmen. Adelbert, beeilt
Euch, fahrt mit dem Kahn
hinüber zu Ludwig und holt auf
dem schnellsten Wege
Hilfe. Doch wartet drüben, bis
das Horn das Zeichen gibt,
wenn es wirklich wahr sein
sollte.' Und zu Adelheid
gewendet, sagte sie: 'Bleibt
hier, die Mauern halten, bis
Hilfe kommt. Melchior wird meine
Leute an die Scharten
stellen.'
Mit blassem Gesicht war Adelheid
gefolgt und faltete die
Hände:
'Gott sei mit Euch, mein
Rheinfallschiffer, nehmt mein
Pferd, es ist so schnell wie
der Wind. Sarah' ist sein
Name, an seiner Seite hängt ein
Schwert.'
Adelbert schoss auf und leerte
seinen Becher.
'Verlasst Euch auf mich, wir
wollen Ordnung schaffen.
Macht das Tor nicht auf, man
will Euch überrumpeln.'
Mit schnellen Schritten verliess
er das Schloss, dann wurde
die schwere Türe hinter ihm
verriegelt. Auf der Lichtung
stand Adelbert noch einmal still
und gedachte der Stunde,
die zuvor ein Geheimnis
schmiedete.
Mit schnellen Ruderschlägen
setzte der Rheinfallschiffer
über zu Ludwig, der erstaunt
war, Adelbert allein
kommen zu sehen.
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'Komm! Ludwig, lass uns du
zueinander sagen, wir sind
bald Kampfgenossen.'
Mit diesen Worten entstieg
Adelbert dem Kahn.
'So höre zu,' Ludwig, der
Hohenkrähener will Laufen
überfallen. Sein Tross, Richtung
Schloss Laufen, wurde
gesehen. Wenn dieser Trupp Einlass
begehrt, dann bläst
Melchior das Horn, und die
kleine Glocke wird geläutet.
Adelheid ist auf dem Schloss in
Obhut, ein Einbruch wird
nicht so schnell erzwungen.
Wenn er bläst, der Melchior, und
die Glocke läutet, dann hör
zu: Dann reitest du mit Cäsar' so
schnell du kannst, nach
Feuerthalen und Langwiesen ,
alarmierst die wehrhaften Leute
und befiehlst ihnen, nach Schloss
Laufen zu reiten, ein
überfall sei im Gange. Von dort
reitest du nach
Flurlingen
und alarmierst dort auf gleiche
Weise.
Ich selbst durchschwimme den
Rhein mit Sarah', wie Fräulein
Adelheid mir selbst befohlen. Ich
alarmiere dann den
Untervogt zu
Uhwiesen .
Wenn dies getan ist, dann treffen
wir uns am Walde auf der
Höhe oberhalb
Flurlingen und
übernehmen die Führung der
Leute, die zu Pferd gekommen sind.
Du brauchst dich nicht zu
fürchten. Wir werden uns
besammeln und die Eindringlinge
überraschen. Hast du mich
gut verstanden, Ludwig, hast du
noch etwas zu fragen?'
'Nein, ich habe dich gut
verstanden', entgegnete jener. 'Es
geht jetzt um Bertha und um meine
Schutzbefohlene, des
Ratsherrn Tochter.' 'Ganz meine
Meinung - horch! - das
Horn und die Glocke! Reich mir
die Hand, Ludwig, und viel
Glück zu deinem Ritt!'
'Auch dir viel Glück über den
Rhein, Sarah' ist ein gutes Tier.'
Die beiden Freunde schwangen sich
auf die Pferde und ritten
davon, 'Cäsar' in Richtung gegen
Norden, 'Sarah' abwärts
bis oberhalb des Dörfchens
Nohl .
Dort führte Adelbert die 'Sarah'
ins seichte Wasser, um sie
abzukühlen. Er selbst zog die
Stiefel aus, band sie an den
Sattel und kühlte sich ebenfalls
ab.
Dann ging es los. - Wird es
gelingen? Wenn das Rosmarie
wüsste, sie würde ihn
zurückhalten. Doch schnell,
bevor sie uns sieht, ',Sarah' -
brr Sarah', brr hinüber. '
Adelbert nahm in eine Hand die
Zügel und schwamm in die
Fluten. Das Pferd liess sich
willig leiten, als ob es wüsste,
um was es ging. Die 'Blumen',
Gischtzeichen vom Wasserfall
herrührend, waren bald
durchschwommen und das Ufer war
schnell erreicht.
Das Pferd schüttelte sich,
Adelbert leerte die Stiefel aus
und zog sie an. Dann schwang er sich
aufs Pferd und ritt oben an
der Halde aus dem Walde hinaus.
Vorsichtig zog er eine
Schleife südwärts, um vom
Schlosse her nicht erspäht zu
werden.
Dann ging's in schnellem Trabe
nach dem Dorfe
Uhwiesen .
Im Geiste malte er sich aus, wie
es wohl Ludwig ergangen
sein möchte.
Im ersten Haus mit dem
steinernen Treppengiebel wohnte
der
Vogt. Dort sprang er zur Türe
und läutete. Ein Pförtner fragte
an der Luke, was los sei.
'Ruft schnell den Vogt, es droht
Gefahr!' Als dieser kam,
erklärte ihm Adelbert die Not,
in der sich seine und des
Vogts Herrin befand. 'Ist gut',
sprach der Vogt, 'ich werde
meine Leute aufbieten. '
'Ich danke schön', sprach
Adelbert, 'ich reite noch nach
Flurlingen ,
um Hilfe zu holen.
Ein Bote ist auch unterwegs
nach
Feuerthalen und Langwiesen .'
Adelbert schwang sich auf 'Sarah'
und ritt davon. Am
Brunnen trank sie begierig
Wasser. Er selbst hatte keinen
Durst, er litt nur unter der
Sorge, zu spät zu kommen. Bald
aber hatte er das Dörfchen am
Rhein erreicht und alarmierte
die Bürger.
Auf der Höhe der Strasse, die von
Feuerthalen über den Berg
kommt, traf er mit Ludwig
zusammen.
'Wie ging es dir, Ludwig?'
fragte er hastig.
'Hab's gut getroffen', lautete
die Antwort. 'Im Adler'
fand ich die Knechte. Die
Vorspann-Pferde waren zufällig
alle wegen der Hitze noch im
Stall.
Sie werden jetzt gesattelt. Ich
sagte noch, wir würden uns
zwischen
Uhwiesen und Laufen
besammeln. '
Unterdessen war der Herr von
Hohenkrähen vor dem
Schloss erschienen. Zehn Pferde
standen im Schatten.
Vorsorglich waren die Ritter und
die Knechte nicht
abgestiegen. Mit brennenden
Pfeilen schossen sie über die
Mauer, um das Schloss in Brand zu
schiessen. Fast einmal
wäre es gelungen, wenn nicht
Melchiors Leute mit
Wasserkübeln hätten löschen
können.
'Achtung, meine Bürger und
Untertanen', rief jetzt der
Vogt von Uhwiesen ,
'wir sind
unser 18 Reiter, wir
sprengen los und stürzen uns auf
den Feind.'
Er erhob das Schwert und ritt
voraus.
Im Nu war die Reiterschar beim
Schlosse. Hurrarufe
erschollen. 'Geht zurück oder ihr
lernt uns kennen!'
Überrascht stoben die fremden
Ritter davon, auf den
einen Ausweg zu gegen Süden.
Edgar von Hohenkrähen
war an den Pfauenfedern und
Straussenbüscheln zu
erkennen. Die Überraschung war
gelungen.
Adelbert verfolgte mit 'Sarah'
einen fluchenden Reisigen
und spaltete ihm den Schild.
Bertha war befreit und Adelheid
gerettet. Das Tor öffnete
sich. Die Retter hielten Einzug.
Fortwährend kamen noch
einzelne Landleute zu Fuss, die
Hilfe leisten wollten. jetzt
trat Bertha in den Hof und lud
alle Helfer in den grossen
Rittersaal zu Speise und Trank.
Adelbert erhielt mit Ludwig den
Ehrenplatz beim
Schlossfräulein und Adelheid
bewunderte den Helden, dem
die Rettung zu verdanken war.
Nun erhob Bertha von Laufen in
heiterer Laune das Glas und
sprach: 'Euch Helfergemeinden
schenke ich den
Kohlfirst-Wald zu gleichen Teilen.' Grosser
Jubel!
Darauf begab sich Adelheid auf
den Heimweg, glücklich über
das Geheimnis ihrer Liebe und
die Rettung. Die Helfer von
Feuerthalen und Flurlingen gaben
Adelheid und Ludwig das
Geleite bis zur Brücke von
Schaffhausen .
Der Abschied von Adelheid war
kurz. Ihre Augen sagten:
'Auf Wiedersehen!'
Als guter Schwimmer überquerte
Adelbert nochmals den
Rhein, holte eilends den Kahn
und fuhr nach seinem
Dörfchen Nohl .
Rosmarie sass mit 'Benno' am Ufer
und erwartete ihn. 'Du
bist so nass', sprach sie, 'was
ist geschehen?'
'Komm mit mir hinauf zu meinen
Eltern, da will ich
erzählen, was vorgefallen ist.'
|
Und wiederum sass anderntags
Adelbert in seiner Hütte und
knüpfte Netze. Die Fänge waren
gut bei dieser Hitze, und so
zerrissen oftmals die Netze ob
der schweren Last. Seine
Gedanken gingen im Kreis herum.
Sie begannen zu Hause und
endigten bei -?
Nach seinen Schilderungen vom
überfall auf das Schloss und
von der wunderbaren Rettung
durch ihn und Ludwig schien
Rosmarie ins Leere zu versinken.
Sie glaubte, Adelbert als
Helden an Adelheid zu verlieren
und fühlte sich verlassen. Sie
ahnte die Verehrung des
Fräuleins von Stockar, doch
Adelbert wehrte diesen Argwohn
entschieden ab. Seine
Eltern waren stolz auf ihren
Sohn und hofften, dass er Nutzen
daraus ziehen werde.
Von zu Hause flohen seine
Gedanken zum Schloss
hinüber. Es war gewiss, wenn
Bertha von Laufen von den
Belagerern in Gefahr gekommen
wäre, so hätte sie sich
durch einen Todessturz über die
Felsen den Fängen des
Rauhritters entzogen. 'Mich
wundert's', dachte er, 'wie
Bertha mich belohnen wird, wie
sie mir einst angedeutet
hat.' Und weiter eilten die
Gedanken nach
Schaffhausen
zu seiner Adelheid.
Er stellte sich vor, dass Adelheid
von der Belagerung und
der Errettung ihrem Vater genau
Bericht erstatten werde.
Zudem werde Ludwig berichten, wie
klug und mutig er
vorgegangen sei.
Auch der Ratsherr werde eine
Belohnung seiner Tochter
wegen in Erwägung ziehen.
Alle diese Gedanken beschäftigten
ihn jetzt, und er
wünschte sich sehnlichst, dies
bald zu wissen.
Er sollte nicht lange darauf
warten müssen.
Am Nachmittag schon traf Adelheid
mit Ludwig bei
seiner Hütte ein, und 'Sarah'
wieherte, als sie den
heldenhaften Reiter wieder vor
sich sah.
Die Begrüssung war herzlich, und
der Rheinfallschiffer bat
Adelheid und Ludwig, in seiner
Hütte Platz zu nehmen.
'Ich kann Euch nichts anbieten,
wie Ritter Georg auf
seinem Schloss', fuhr Adelbert
fort, 'doch erlabt Euch an
meinem Wein, an meinem Brot und
an meinen
geräucherten Lachsen.' Die Gäste
bedankten sich, und
Adelheid erkundigte sich, wie
Adelbert nach Hause
gekommen sei. Auch wollte sie
wissen, wie seine
Angehörigen und Rosmarie den
überfall aufgenommen
hätten.
'Mein Vater', sagte sie dann,
'hat mich beauftragt, dir
zu danken, er sei bereit, wenn
sich Gelegenheit biete, sich
für den Rheinfallschiffer zu
verwenden.'
Adelbert dankte für diese
Mitteilung.
'Und weiter kann ich dir
verraten', ergänzte Adelheid,
'aud, Ludwig wird von meinem
Vater gut entschädigt.
Die Stadtväter haben Kunde
erhalten von dem tapferen
Auftreten der Landleute ennet
dem Rhein, und ihr zwei
seid berühmt geworden. Doch nun
ist es Zeit, Bertha von
Laufen zu besuchen, sie wird
gewiss auf meinen Besuch
warten.' So Adelheid.
'Ich bleibe in der Hütte hier',
meinte Ludwig, 'bei
Schwert und Morgenstern, falls
sich ein Racheakt
vollziehen sollte.'
Adelheid und Adelbert bestiegen
den Nachen und fuhren
in die Wellen.
'Na, endlich du auf du, mein
Rheinfallschiffer, immer
wenn wir allein sind, ist es
herrlich, du zu sagen. Wie
gut hast du's, Adelbert, die
Liebe frei zu wählen, nicht
eingeklemmt zu sein im
Adelsstand, frei, so wie wir
jetzt
frei sind. Doch stets hat diese
Freiheit ein Ende, wenn
wir uns, verlassen müssen.'
Sie hatten das Ufer erreicht,
als wäre der Rhein wie ein
stiller See zu befahren, so tief
und hoffnungsvoll war das
Gespräch für Adelbert.
Langsam stiegen sie den Weg
aufwärts zu der Lichtung,
auf der ein Wunsch in Erfüllung
gehen sollte: Adelheid
stand still, ergriff des
Schiffers Hände und sprach: 'Hier
an dieser Stätte hat sich mein
Herz für dich bewegt. Doch
kann ich, mein Lieber, nicht
mehr kommen. Mein Vater
hat einen Argwohn gegen mich, dass
du mir mehr wirst
sein als Georg. Doch diesen
Argwohn habe ich ihm
ausgeredet, wie ich ihm von der
Heldentat erzählte, die du
vollbracht hast.
Auch was Bertha über dich
erzählte, machte ihn
sorgenfrei. Nun aber habe ich
weiter schon an dich
gedacht, um dich je und je zu
sehen, Adelbert, denn deine
Nähe ist mir Ersatz für deinen
Besitz. Weisst du, was ich.
vorhabe? '
'Wie sollte ich das wissen? Ich
kann nicht anders, als es
als Geschenk des Himmels
anzunehmen, ein Adelsblut zu
lieben. Ich bin bereit, alles,
was du mir vorschlägst,
anzunehmen.'
'So höre zu', fuhr sie fort, 'auf
des Munots
Turme soll
über Winter der Wächter wegen
Krankheit abgelöst
werden. Da die Schiffahrt vom
Oktober bis im Frühjahr
eingestellt wird, könntest du
diesen Posten übernehmen.
Mein Vater wäre damit
einverstanden.
So würdest du mich erstens
heimlich öfters wiedersehen,
und zweitens würdest du als
Wächter gut bezahlt. Ich
werde innerhalb der Stadtmauern
allein ausgehen und dich
so oft besuchen können, wie es
mir passt.
Auch nehme ich an, dass du zu
Hause keinem Widerstand
begegnen wirst, denn Rosmarie
wird froh sein um das
Geld, das ihr die Heirat
näherbringt. Sollte dir später
Rosmarie einen Jungen schenken,
fürwahr, so will ich für
alles, was du mir bist, die
Taufpatin sein, um dich immer
wieder sehen zu können.
Und nun, was sagst du, mein
Rheinfallschiffer?'
'Ich traue meinen Sinnen kaum,
liebe Adelheid ',
antwortete Adelbert. 'Doch sage
ich ja. Ich bin nicht
gewohnt, lange zu erwägen. Nur
eine Bitte sei mir
erlaubt: Als Dank des Herzens
will ich dich auf die roten
Wangen küssen.
Und eine andere: Komm niemals auf
den Munot
mit dem Ritter Georg, ich könnte es nicht
ertragen. '
Stumm begaben sie sich alsdann zu
Bertha. Der Empfang war herzlich.
Melchior bewirtete die Gäste
aufs beste, und Bertha erfuhr
von dem Vorschlag, Adelbert über
den Winter auf dem
Munot zu beschäftigen. Unter
vier Augen erfuhr sie auch,
dass ihre Freundin Adelheid
Adelbert heimlich liebe.
'Aber im Frühjahr, Adelbert,
geht's wieder an die Ruder,
nicht wahr?'
'Gewiss, gnädigstes Fräulein, ich
werde wieder kommen.'
Ludwig schlief in der Hütte am
Tisch, als Adelbert mit
Adelheid zurückkam. Die Pferde
stampften und begehrten
Heimkehr.
'Er hat natürlich schlecht
geschlafen gestern nacht,
begreiflich', sagte Adelheid,
'er hat den Sieg begossen,
was ich sonst niemals von ihm
sagen kann.'
Ludwig erschrak aus dem Schlaf,
als er die Stimme hörte.
'Verzeihung, dass der Schlaf mich
übernommen hat,
gleich werde ich kommen.'
Beim Abschied erfuhr Adelbert
noch, dass ein Kurier die
Urkunde als Munotwächter
überbringen werde.
Dann ritten sie munter von
dannen.
Adelbert brach frühzeitig auf
nach Hause, er wendete den
Kahn in ein seltsam neues Leben.
|
Allmählich wurden die Tage
kürzer und die Schatten
dehnten sich. Die Besucher auf
Schloss Laufen wurden
immer seltener, und Adelbert
frönte dem Fischfang.
Heute war ein grauer, nebliger
Tag. Er sass in der Hütte
und sehnte sich nach dem Tage,
da er auf dem
Munot als
Hochwächter anzutreten hatte. Er
sehnte sich ebensosehr
nach Adelheid, nach seinem
stillen Glück. Die
Erinnerungen an das adelige
Fräulein weckten in ihm
Kraft, Mut und Lebensfreude.
Zu Hause war die Freude nicht so
gross. Die Eltern hätten
Adelbert im Winter für
Holzerarbeit in der Gemeinde und
auf
dem Heim benötigt und wären
glücklich gewesen, ihren
einzigen Sohn unter Dach zu haben.
Noch schlimmer erging es
Rosmarie, sie konnte es nicht fassen,
ihren geliebten Adelbert
so fern zu wissen. Dazu
quälte sie die Eifersucht gegen
das Fräulein von Stockar. Es
war Rosmarie nicht entgangen, dass
Adelbert diese Stelle nur
wegen Adelheid annahm.
Adelbert machte Feuer im Ofen und
gönnte sich ein wenig
Ruhe.
'Da schau her', blitzte es durch
ihn, 'ist das nur möglich?
Der Ludwig kommt bei diesem
Wetter'. Schon war er
abgesprungen und begrüsste ihn
umarmend.
'Wie geht es dir? Wir haben uns
schon lange nicht mehr
gesehen. '
'Ach, langweilig wird das Leben
hier, und ich freue mich,
dass die Zeit so nahe ist, auf den
Munot zu ziehen.'
'Das ist ja gut', sprach Ludwig,
'deshalb bin ich hierher
gekommen. Adelheid lässt dich
herzlich grüssen; unter uns
gesagt, man könnte glauben, sie
liebt dich. Zu Hause
kann ich immer wieder vernehmen,
wenn sie in des Ratsherrn
Stube ist, dass sie von dir redet
und mit dem Vater
Reibereien wegen Ritter Georg
hat.'
'Mach doch keine Scherze', lachte
jener, 'du wirst doch
nicht glauben wollen, dass ein
adeliges Fräulein einen armen
Rheinfallschiffer lieben kann.
Und würde es doch so sein,
dann um so besser, wenn man
nichts davon merkt. Jetzt
etwas anderes.' Ludwig zog ein
Pergament hervor und gab
es Adelbert.
'Das musst du vor mir lesen und
dann unterschreiben, es ist
die Urkunde des Rates von
Schaffhausen ,
der dich als
Munotwächter einstellt. Und was
nicht darin steht, sage ich
dir gleich anschliessend.'
Adelbert öffnete die Rolle und
las:
'Das ist ja ganz erfreulich, Ludwig.' Und Ludwig fuhr fort: 'Am 1. Oktober sprichst du zur Morgenstunde etwa um neun Uhr beim Ratsherrn vor. Er will dich sehen und dir den zweiten Schlüssel übergeben. Ich selbst werde mit dir zum Munotwächter gehen, der, wie du weisst, kränklich ist.' Hierauf nahmen sie noch etwas Speise und Trank zu sich, plauderten von vergangenen Tagen und verabschiedeten sich. Adelbert sann nach, wie es ihm wohl ergehen werde so allein auf dem hohen Turme, gleich einem Gefangenen, und dazu noch einem Gefangenen der Liebe. |
'Morgen', sagte Ludwig, der
täglich um das Wohl des
Wächters besorgt war, 'kommt
Adelheid zu dir. Nur dass
du gefasst bist, ich glaube, sie
liebt dich, so wie sie dich
lieben kann, heimlich mit
Bewunderung.'
'Gewiss, das weiss ich und bin
glücklich, dass du von dieser
Sache weisst.'
'Und gut ist's', sprach Ludwig,
'dass ich darum weiss, ich
muss Adelheid die Schlüssel für
den Munot geben, dass sie dich
besuchen kann, das braucht für
mich ein bisschen Mut,
verstehst du, Freund, wenn dies
der Ratsherr wüsste. 'Adelbert
freute sich auf den Besuch und
konnte ihn kaum erwarten.
Was wohl Adelheid zu seinen
Versen sagen würde?
Und kaum gedacht, da läutete die
Glocke. Sein Blick in die
Tiefe erkannte Adelheid.
Schnell rannte er den Gang
hinunter, um zu öffnen. 'Endlich
bei mir', begrüsste sie Adelbert,
'du kommst mir vor wie ein
Engel, der mir in meine
Einsamkeit Leben bringt. ' Im
Turme
oben angelangt, streichelten
sich die zwei Menschenkinder
des verschiedenen Blutes sanft
die Haare und küssten sich auf
die Wangen.
Adelbert überreichte Adelheid
seine Verse.
'Hier nimm das Blatt von mir,
und findest du Gefallen, dann
werde ich solche Verse neu
beginnen hier oben', redete er
sie
an.
'Ich sitze ja hier wie ein
Gefangener. Ohne unsere
heimliche,
göttliche Liebe wäre ich
wirklich nicht hier hinauf
gekommen, und ich hoffe, dass wir
im Frühling, wenn ich
wieder abgelöst werde, einen
neuen Weg für unser öfteres
Zusammentreffen finden werden,
es sei denn, Ritter Georg
hole dich in seine Mauern. '
|
Am ersten Freitag erschien
Ludwig frühzeitig zur Ablösung.
'Du musst bei meinem Herrn den
Lohn abholen, er wird dir
dank deiner vorzüglichen Arbeit
als Munotwächter dein Lieblingspferd, ich
sage ausdrücklich dein
'Lieblingspferd', die Sarah',
überlassen, damit du nach Hause
reiten kannst. Um 5 Uhr musst du
mich ablösen. Viel Glück,
Adelbert, und auf Wiedersehen!'
Adelbert begab sich klopfenden
Herzens in die Sto&arburg.
Adelheid führte ihn zu ihrem
Vater und dankte für die schönen
Verse, die sie ewig aufbewahren
wolle.
'Pass auf', flüsterte sie ihm zu,
'dass der Ratsherr nichts von
unseren Heimlichkeiten merkt, er
ist hellhörig und klug.'
Alsdann zählte der Ratsherr
Adelbert den Lohn vor und hiess
ihn unterschreiben.
'Wir sind zufrieden mit Euch,
Rheinfallschiffer, und wie
gefällt es Euch?', wollte von
Stockar wissen.
'Von der Leber weg gesprochen,
ich tue meine Pflicht, doch
habe ich Heimweh nach dem Rheinf
all.'
'Ja, das verstehe ich, mein
junger Held', entgegnete jener.
'Hat Ludwig Euch gesagt, dass Ihr
das Pferd der Adelheid zu
einem Ritt ins Nohl
benützen dürft? '
'Jawohl', lautete die Antwort,
'ich danke Ihnen herzlich. '
Der Lohn war recht. Zu Hause traf
er auch Rosmarie.
Die Zeit verging schnell. Doch
waren seine Leute zufrieden,
dass er wieder einmal gekommen
war. Auch Rosmarie
beruhigte sich, sie glaubte
Adelbert auf seinem Turme sicher
vor jedem weiblichen Zutritt.
Auch steckte ihr Adelbert 10
Gulden in die Tasche für den
Hochzeitsstrumpf, wie er lachend
erwähnte.
Auf der Rückkehr begann es wild
zu schneien; ein früher
Winter stand bevor.
Auf Silvester wollte er wieder
kommen, aber auch Adelheid
liess er nicht aus dem Sinn, auch
nach ihr plagte ihn die
Sehnsucht.
Da läutete die Glocke: Adelheid
stand unten.
'Ach wie herrlich, dass du
kommst, fast wäre ich in dieser
Einsiedelei krank geworden. Komm
schnell in meine
warme Stube! '
Schneeflocken lagen noch auf
ihren blonden Locken, und
draussen tanzten sie auf den
Dächern und bedeckten das
ganze Land mit winterlichem
Glanz.
'Ich habe dir etwas zum
Weihnachtsfeste gebracht',
sprach sie. 'Hier ein Glas Wein
von der Munothalde und
hier ein Schinken und zum
Gedenken ein Herz', von mir
selber gebacken. Denk immer
daran, dass du nicht allein
bist hier oben; bei Tag und
Nacht bin ich in Gedanken
bei dir.'
Überrascht nahm Adelbert die
Geschenke in Empfang und
umarmte Adelheid.
'Ich kann dir zum Weihnachtsfest
nichts anderes als
einige Verse schenken, die ich
in meiner Einsamkeit für
dich geschrieben habe. Du
siehst, auch meine Gedanken
sind immer bei dir.'
Damit überreichte er ihr ein
Gedicht und sprach-. 'Nimm
es in deine Kammer, dort ist der
Platz für Freude, Leid
und Kummer!' Errötend nahm sie
das Gedicht entgegen.
Der Ratsherr wusste nichts von
ihrer heimlichen Liebe.
'Hier, Vater, habe ich schöne
Fische', erzählte sie eines
Tages, 'sie sind von Rosmarie,
der Braut des
Rheinfallschiffers. Ich war auf
dem Fischmarkt und habe
sie bei Rosmarie gekauft, ich
habe sie dort zufällig
kennengelernt.'
'Ist's eine nette Tochter,
diese Rosmarie?', wollte
beiläufig der Ratsherr wissen.
'Gewiss, ich kann den Wächter auf
dem Munot wohl
verstehen, dass er das Mädchen
liebt.'
In ihrem Kämmerlein las sie
dann:
Und wieder zog der Frühling ins Land. Die Ablösung auf dem Munot stand bevor. Traurig blickte Adelbert in die Stadt hinunter. Ludwig hatte ihm verraten, dass Georg von Herblingen zu einer Heirat mit Adelheid dränge. Er schien viel von dem heldenhaften Rheinfallschiffer gehört zu haben und wollte Adelheid heimholen, bevor es zu spät war. Da läutete eines Tages die Einlassglocke. Unbemerkt standen Adelheid und Ritter Georg vor der Türe. Adelberts Blut stockte fast, doch fasste er sich wieder. Verächtlichen Blickes schritt Georg mit Adelheid an Adelbert vorüber auf die Zinne. In Adelbert rauschte das Blut wie die tosenden Rheinfallwellen, und wie ein Panther sah er von seiner Deckung aus dem 'Liebespaare' nach. Da beobachtete er, wie Ritter Georg über die Zinne lehnte und Adelheid aus Eifersucht beinahe zu Tode küsste. In diesem Augenblick schlug die Munotglocke und zersprang. Entsetzt liess der Ritter los und verschwand mit Adelheid in grosser Hast. Adelbert rann der Schweiss von der Stirne. War es möglich, dass Adelheid ihm die Treue brechen konnte? Er konnte ihren Treubruch nicht verstehen. Niemals hätte er gedacht, dass sie ihr Wort brechen und mit Georg auf den Munot kommen würde. Fort von hier, fort für alle Zeiten! rief eine Stimme in ihm. Dann fiel er hin. Kurz vor neun erwachte er und läutete das Glöcklein. Aber wie traurig klang es in die Nacht hinaus! Es war zersprungen. - In der Stockarburg horchte Ratsherr von Stockar auf. Hatte er nicht vor kurzem Ritter Georg von Herblingen die Tür für immer gewiesen? Und jetzt soll er mit Adelheid auf dem Munot gewesen sein? Höhnisch hatte Georg erklärt, dass er bereue, den Ratsherrn vor dem Erscheinen des Raubritters von Hohenkrähen gewarnt zu haben! Er sei ein Freund von Edgar von Hohenkrähen und billige seine Taten. 'Hinaus, du Verräter, hinaus aus dieser Stube!' hatte der Ratsherr geschrien. Wie aber geschah es, dass er wieder kam? - Und jetzt sass Adelheid bleich in der Ecke. 'Gott sei Dank, mein lieber Vater, hast du die Einsicht bekommen, dass dieser Ritter nicht bei dir um meine Hand werben darf. Er wollte ja die Stadt vom Norden her überfallen.' 'Und nun, mein liebes Kind', tröstete er, 'morgen soll Ludwig den tapferen Wächter zu mir rufen. Mir scheint, ich müsse dem Grossen Rate über die zersprungene Glocke schnellstens Auskunft geben. Geh und hole mir den Munotwart! ' Am anderen Morgen läutete frühzeitig die Einlassglocke am Munot. Adelbert hatte nicht geschlafen, er wollte fort, heute noch, zu seiner Rosmarie. Er öffnete das Tor, sah Adelheid und erschrak. 'Was willst du noch hier, hast du bei mir noch etwas verloren?' 'Ja', gab sie zur Antwort, 'mein Herz, mein armes Herz, das habe ich an dich verloren und es wird dir gehören für alle Zeiten.' Adelbert wich zurück, seine Fassung versagte. Adelheid griff nach, seiner Hand und richtete den Auftrag aus. 'Ich komme im Auftrage meines Vaters', sprach sie, 'du musst zu ihm kommen, er will dich fragen, was mit der Glocke geschehen soll. Und dann, Adelbert, habe ich dir noch Wichtiges zu sagen. Ludwig hätte dich benachrichtigen sollen, doch er überliess die Aufgabe mir. Ich treffe ihn unten hier am Wege, und er wird dich ablösen, damit du zu meinem Vater kommen kannst. ' Was hatte sie ihm noch weiter zu sagen? Sie ergriff seine Hände und sagte: 'Ich bin frei, Adelbert, Ritter Georg hat mich gezwungen, auf den Munot zu kommen und, wie du gesehen hast, aus Eifersucht. Nun, ich wusste um mein Versprechen und kam mit ihm in Streit. In seiner Wut ging er zu meinem Vater und sagte, dass er ein Freund sei von Edgar von Hohenkrähen, den du einmal am Rheinfallufer in die Flucht jagtest. Alsdann hat mein Vater Ritter Georg unser Haus verboten und ihm in Zukunft den Eintritt in die Stadt untersagt. Damit bin ich ganz dein.' 'Liebe Adelheid, ja so ist die Sache, nun lieb' ich dich noch mehr als vorher.' 'Und noch eines', fuhr sie fort, 'nie werde ich heiraten und vom Glück deiner reinen Liebe zehren bis an mein Ende.' In der Stockarburg empfing Adelbert vom Ratsherrn die Aufforderung, sich sets bei ihm zu melden, wenn ihm etwas mangeln sollte. 'Meine Tochter wird Euch im Angedenken behalten', sprach er, 'wie wir alle in der Stube des Rates. Die Glocke, die bleibt bestehen, so wie sie ist. Sie wird einst berühmt werden durch den eigenartigen Ton, den sie durch den Sprung erhalten hat. Wie ist es denn eigentlich dazu gekommen, dass sie sprang?', wollte er noch wissen. 'Ganz einfach', antwortete Adelbert, 'ich zog zu fest an ihrem Strang! ' Noch einmal stieg Adelbert hinauf zum Munot und läutete um neun Uhr die Glocke, zweihundert Schläge diesmal, dem Abschied zu Ehren. Anderntags übernahm der alte Hochwächter wie vor Jahren wieder die Wacht am Rhein. Die Freude war gross im Elternhause, als der Sohn heimkehrte. 'Benno' winselte und schnupperte am Munotwächter und streckte seine Pfote zum Grusse. Rosmaries Augen strahlten wie schon lange nicht mehr, denn das Glück stand nahe. Nach schlaflosen Nächten, nach Zweifel und Sehnsucht war sie endlich der Liebe ihres Adelbert gewiss. Am 1. Mai übernahm Adelbert wiederum das Amt des Rheinfallschiffers. Die Stürme der heimlichen Liebe hatten sich gelegt. In der Mitte des Wonnemonats Mai fuhr ein Schiff in den Hafen der Ehe. Die Vöglein sangen, die Bäume blühten am steilen Hang des Dörfchens, und Adelbert führte selbst den Kahn mit der Hochzeitsgesellschaft über den `Rhein hinüber zur Hochzeitskirche. 'Benno' stand am Bug. Dann bewegte sich das Brautpaar mit den Eltern und Trauzeugen zur Kapelle beim Schloss zur Trauung. Der Pfarrer lobte Adelbert, wies hin auf seine Vergangenheit und wünschte der jungen Braut einen gesegneten Ehestand. Hinten, ganz hinten in der Kapelle sassen Bertha von Laufen und Adelheid von Stockar samt Ludwig. Als die Glocken beim Verlassen der Kapelle läuteten, da leuchteten die Augen Adelheids, als wollten sie sagen: ' Ich liebe dich und gönne dir dein Glück bis an mein Ende. ' Adelbert und seine glückliche Frau Rosmarie waren nicht wenig erstaunt, als Bertha von Laufen zu ihnen trat und erklärte, die ganze Hochzeitsgesellschaft möge ins Schloss kommen, es wäre dort eine Tafel bereit für alle. Ohne Zögern folgte die Hochzeitsschar dieser Einladung. Im runden Turme gegen Norden brachte Melchior Speise und Trank. Auch Bertha und Adelheid waren zugegen und wünschten dem jungen Paar alles Gute. Sie erwähnten, dass sie dem Rheinfallschiffer, der einmal mehr gezeigt habe, was Tapferkeit und Treue bedeuten, das Leben zu verdanken hätten. Wem das Herz fehlt, dem nützt auch der Degen nichts, schloss das Edelfräulein von Laufen die Ansprache und eröffnete Adelbert, dass er zeit seines Lebens freien Eingang zu ihrem Schlosse habe. Adelheid standen die Tränen in den Augen, als Adelbert gerührt die Verse sprach:
Die Ruder schlugen an, und sicher fuhr der Nachen ans andere Ufer. Oben am Hause des Rheinfallschiffers, wo nun Rosmarie einkehrte, hatte die Dorfjugend einen wunderbaren Immergrünkranz aus dem Fischerhölzli angegebracht mit einer Inschrift: 'Viel Glück und Segen unserem Rheinfallschiffer und seiner lieben Rosmarie.' Für diese überraschung spendete Adelbert an diesem schönen Maienabend den jungen Gratulanten in seinem Hause Speise und Trank. Dann hüllte die Nacht das Dörfchen mit seinen Menschen in Schlummer. - Übers Jahr kam ein Sohn für unsern berühmten Rheinfallschiffer zur Welt und Adelheid wurde Taufzeugin, wie sie es seinerzeit versprochen hatte. Adelheid hielt ihren Entschluss auf recht. Sie heiratete nie, doch sah sie ihren Freund mit dem bäuerlichen Blute immer wieder und war damit zufrieden. - Das Munotglöcklein aber läutet heute noch zur neunten Stunde, wie damals und immer in dem durch den Riss entstandenen wehmütigen Klange. |
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